Das Wehrmachtsmassaker im serbischen Kragujevac

 
 

Deutsche Soldaten im Ausland ...

 
 

Von Walter Manoschek

 
 

Im Gegensatz zu den Massakern der SS etwa im französischen Oratour oder im tschechischen Lidice sind die Massenmorde der Wehrmacht am Balkan nicht im kollektiven Gedächtnis Nachkriegsdeutschlands verankert.
   Vor 65 Jahren richteten Einheiten des 749. und 724. Infanterieregiments der 717. Infanteriedivision in den Städten Kragujevac und Kraljevo Massaker an der Zivilbevölkerung an, die noch heute in Serbien unvergessen sind. Nachdem die beiden Regimenter vom 16. Oktober 1941 an in der serbischen Stadt Kraljevo zwischen 4000 und 5000 Zivilisten zur Sühne für im Partisanenkampf gefallene Wehrmachtssoldaten erschossen, dehnte sich das Massenmorden ab dem 19. Oktober auch auf die etwa 60 Kilometer entfernte Stadt Kragujevac aus. Als die beiden Regimenter im Partisanenkampf in der Umgebung von Kragujevac 10 Tote und 26 Verwundete verzeichneten, suchten sie - nach der Quote von 1:100 für jeden getöteten und 1:50 für jeden verwundeten großdeutschen Soldaten - nach 2300 Erschießungsopfern. Am 19. Oktober 1941 schwärmten zwei Regimentsbataillone in die Ortschaften rund um Kragujevac aus und erschossen, wie es im Bericht des Kreiskommandanten hieß, »422 männliche Personen ohne eigene Verluste an Ort und Stelle in den Dörfern«.
   Tags darauf ging das Morden im etwa 42.000 Einwohner zählenden Kragujevac weiter: Auf Befehl des Kommandeurs des 749. Infanterieregiments, Major Dr. Dr. Otto Desch, zerrten Wehrmachtsoldaten Männer und Jugendliche aus Wohnungen, Werkstätten und Läden oder verhafteten sie auf der Straße; selbst ganze Schulklassen wurden mit ihren Lehrern aus den Schulen abgeführt und in eine Kaserne gesperrt. Als die beiden Wehrmachteinheiten am Abend des 20. Oktober die benötigte Anzahl von Opfern beisammen hatten, begannen sie mit den Erschießungen: »20.10. Am Abend werden die schon am 18.10. verhafteten Kommunisten und Juden und 53 Strafgefangene aus dem Ortsgefängnis hinter dem Beutelager erschossen.« Am nächsten Morgen setzten die Wehrmachtsoldaten das Massaker mit der Erschießung der in der Kaserne eingesperrten Menschen fort: »21.10. Früh 7 Uhr beginnt die Auswahl und Erschießung der Verhafteten. Damit ist die Aktion abgeschlossen, insgesamt wurden 2300 Serben verschiedenen Alters und Berufes erschossen.« (Bericht über den Einsatz des 1./724.IR.17.-25.10.1941)
   Innerhalb von wenigen Tagen hatten Einheiten der 717. und 704. Infanteriedivision bei den beiden größten Massakern an der Zivilbevölkerung am Balkan mehr als 4000 Menschen ermordet. Die Stabsabteilung des Kommandierenden Generals in Serbien, Franz Böhme, notierte im Kriegstagebuch, dass die »erfolgreichen Unternehmungen der Divisionen des Höh.Kdo.LXV auf eine erfreuliche Zunahme des Angriffsgeistes und der Initiative der bisher ohne Zweifel zur Passivität neigenden Truppe schließen« lassen.
   Als General Böhme nach nur knapp drei Monaten Anfang Dezember 1941 aus Serbien abberufen wurde, waren an die 30.000 Zivilisten skrupellos erschossen.

 
 

(Entnommen "Neues Deutschland" vom 28./29. Oktober 2006)

 
 

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