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Auszug aus einem Brief seines Vorgestzten an unsere Mutter
 
  Lt. H. Reiniger,
z.Zt. Bonn/Rh.
Albertinum
Koblenzer Str.                                                                                            29.2.44.
 
 
Meine sehr geehrte Frau Holfert!

 
 

Erst durch Ihren Brief erfahre ich Ihre Anschrift, und so erfülle ich mit tiefbewegten Herzen, aber gerne Ihre nur zu verständliche Bitte, was ich, hätte ich Ihre Anschrift in der Hand gehabt, schon früher getan hätte!

Daß unser guter und treuer Horst, auf den die ganze Einheit mit Stolz gesehen hat, sein junges Leben für Volk und Vaterland gegeben hat, muß uns zur Gewißheit werden. Ich will nicht mit billigen Trostworten versuchen, Ihnen Linderung in Ihrem Schmerz zu verschaffen, ich will nur das tun, was mir zu tun übrig bleibt, nachdem es mir nicht vergönnt gewesen ist, den Helm auf das Grab meines lieben jungen Kameraden zu legen; ich will Ihnen ohne Beschönigung schildern, was ich weiß, als Gefährte seiner letzten Stunden.

Nachdem unser Angriff im feindlichen Feuer liegengeblieben war, gab ich allen Verwundeten Befehl, in Deckung zurückzukriechen. Mit Hilfe von wenigen Unverwundeten ging das auch in Stunden vonstatten. Horst, der mir noch einen Notverband angelegt hatte, lag ungefähr 50 m vor mir, als ihn die wohl tödliche Kugel traf.

Uffz. Schweighöfer, der, noch unverwundet, ihm beistehen wollte, konnte weder Verband anlegen, noch ihn wegziehen. Zu der Zeit war Horst bewußtlos und, wie ich annehmen muß, schon hinübergegangen. Uffz. Schweighöfer schilderte die Verwundung als sehr schweren Brustschuß, der in kürzester Zeit zum Ende führen mußte. Da ich selbst noch dableiben wollte, schickte ich Uffz. Schweighöfer nach hinten, um bei einbrechender Dunkelheit mit zwei Mann Horst zu bergen. Als es dämmerte, und niemand kam, kroch ich selbst zurück, um im Schutze der Dunkelheit Horst bergen zu lassen. Als ich schon fast in Deckung war, stiegen zwei Russen aus ihren Gräben, und trugen Horst in ihre Stellung. Daß er nicht mehr am Leben war, scheint mir nach menschlichen Ermessen als völlig gewiß.

Daß er keine langen Schmerzen zu ertragen hatte, sondern bald in Bewußtlosigkeit fiel, kann ich versichern - und dies ist mir auch ein tröstliches Bewußtsein.

Seine Geldtasche hat sich wohl in der Meldetasche im hinten abgestellten Wagen befunden, und wurde zuerst geborgen, während das restliche Gepäck, ebenso wie meines, in den folgenden Wochen verloren gegangen ist.

Dies ist mein sachlicher Bericht.

Ich selbst war 2 Jahre lang sein Zugführer; er war mein bester Mann, mein bester Unteroffizier; er erwarb sich nicht nur meine Achtung, sondern die aller Vorgesetzten.

Ich habe ihn mehr als geachtet, und mir wird der 10. November ein Tag ernsten Gedenkens bleiben an einen Menschen, der wirklich gut, treu und edel gewesen ist.

Erlauben Sie, daß ich mich in Verehrung und Verstehen um Ihren Schmerz vor Ihnen verneige und Ihnen die Hand reiche. Es kann aber kein besserer Geist in uns leben als seiner, und uns verpflichten, weiter zu kämpfen!

 
 
 

Mit diesem Versprechen bleibe ich stets Ihr
Heinz Reiniger, Ltn.

 
 

 

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Meine Bemerkung:
..."sein junges Leben für Volk und Vaterland gegeben hat"..."Es kann aber kein besserer Geist in uns leben als seiner, und uns verpflichten, weiter zu kämpfen!" - Worte an die trauernde Mutter für ihren gefallenen Sohn, gefallen in einem verbrecherischem Krieg, von Deutschen gewollt und durchgeführt. Ob solche oder ähnliche Worte auch an Mütter und Frauen geschrieben werden, deren Söhne oder Ehemänner im Auslandseinsatz (Die Bundesregierung fordert vor allem einen 'robusten') der Bundeswehr zu Tode kommen?

 
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