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Gedanken, Sehnsüchte und Bitten meines Bruders aus der 'Fremde'

 
 

Auszüge aus diesem Brief:

 
 

Regensburg, 20.August 1938

 
 
Liebe Eltern und Geschwister
 
 

Meine lieben ich will Euch wieder einmal ein paar Zeilen schreiben, daß Ihr wißt wie es mir geht und wo ich mich befinde. Meine Sachen hat Dir doch Frau Fischer raufgegeben. Liebe Mutter nim es mir nicht übel, daß die weisen Hosen so schwarz sind, denn wir sind den ersten Tag in ein so heftigen Gewitterregen gekommen, der wolkenbruchartig war. Den ersten Tag hatten wir 50 km zurückgelegt, so daß Gerhard 7 Blasen an Füßen hatte, und mir schmerzten auch alle Muskeln, das aber nebenbei. ......

... Von Plauen nach Hof bin ich wieder mit einem Privatwagen gefahren. Ich bin schon jetzt mehr mit Auto gefahren als Fuß, aber sagt es keinem. Das kriegt man richtig weg, daß man sich nicht in Sachsen befindet. Denn hier unten in Bayern und Franken sind die Leute geizig und vor allen Dingen dreckig. Kommt man durch ein Dorf und fragt den Bauer nach ein Stück Brot dann bekommt man ein rungsen (großer Kanten Brot) und nichts drauf. Aber das schlechte ist noch, daß sie in Brot und Semmeln Kümmel rein tun.

Liebe Eltern und Geschwister ich würde meinen lieben Gott danken, wenn ich jeden Tag ein warmes Mittagessen hätte. Ich habe jetzt schon viermal hintereinander keins gegessen. Gehe ich auf die Arbeitsfrond schicken sie ein zum Obermeister, und dort bekomm ich ein Stück trocken Brot. Endweder heißt es die Innung hat zu diesen Sachen kein Geld oder sind nicht darauf eingerichtet. Ihr meinen lieben denkt an mich wenn Ihr gemeinsam am Tisch sitzt und das Essen mit größten Appetit verzehrt. Dann schau ich im Geist zu Euch sehnsüchtig auf den Tisch und verzehr friedlich mein Stück trocken Brot und mit vielen bitten und danken ein Stück Wurst dazu.

Was macht Hellmut? Macht er sich gut? Ob er es auch weg bekommt das einer fehlt in der Familie? Jetzt erst kommt mir richtig die Reue, daß ich mit meinen Eltern so böse war, als mein kleinstes Brüderchen das Licht der Welt erblicken sollte.

Der Begriff und Verstand Heimat, Geschwister, kommt erst dann, wenn man nur mit fremden Leuten umgehen muß, und sich nicht austauschen kann. Dann setzt ich mich hin und schreibe eine Karte oder Brief an das Elternhaus.

Wie geht es Großmutter ist sie noch gesund und noch halbwegs auf die Beine? Haben Vetters immer noch so ein Dickkopf? Und Großmutter soll es nicht übel nehmen, daß ich noch nicht geschrieben habe das zweite mal.

Ich arbeite jetzt 2 oder 3 Tage in Regensburg. Am Sonnabend ging ich zu den Meister um eine Unterstützung bitten, da ließ er mich nicht mehr fort. Aber mir gefällt es hier nicht. 1. Übernachte ich einen katholischen Hospitz (Gesellenheim) 2. Schlafen in den Schlafsaal jugoslawische Kurzwarenhändler wißt Ihr die von Haus zu Haus ziehen. Es sind mitunter ganz dunkle Burschen. Aber es bleibt mir doch weiter nichts übrig als hier zu übernachten, denn wo anders ists ja zu teuer. Ich habe mich in Nürnberg mit Gerhard getrennt er will durch den bayrischen Wald nach Passau. Denn ich will mich nicht solange hier unten aufhalten, denn da kann man ja verhungern. Hat Meister Heinrich wieder ein Gehilfen? Ich habe Ihm noch nicht geschrieben.

Meine lieben wenn ich so für mich allein bin und kann nicht weiter wie Sonntag, dann kommt doch schwer Stunden für mich und denke an Euch zu Hause was Ihr lieben wohl machen würd.

Es ist schwer sich mit niemand auszusprechen und immer nur auf die Sachen
aufzupassen, daß sie nicht gestohlen werden. Ich habe mit einem Wandergesellen gesprochen, den hatten sie ihm, in der Jugendherberge 10,- RM entwendet. Abends wenn ich schlafen gehe stecke ich Brieftasche Portmané in den Schlafsack mit rein. Donnerstag gehe ich dann München zu und von da aus Bodensee und flugs aus Bayern nach Stuttgart und Rhein abwärts Heidelberg ufers bis Main von da aus Frankfurt a/Main.

Liebe Eltern und liebe Geschwister würdet Ihr nicht mal so gütig sein und ein paar Zeilen von Euch schreiben und was Hellmut macht ob Großmutter gekommen ist wie es Werner gefallen hat und Holfert Großmutter kann auch paar Zeilen belegen. An Zimmermanns richtet auch viele Grüße aus ich werde auch in nächster Zeit eine Karte zukommen lassen. Der Brief muß spätestens Montag postlagernd München sein. Fragt auf der Post ob es in München ein Hauptpostamt gibt. Da sendet Ihr das da hin.

 
 


Es grüßt Euch euer Sohn Horst

 
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( Kursive Einfügungen)
sind meine -heho - Erläuterungen zu bestimmten gebrauchten Ausdrücken, die evtl. nur regional verstanden werden. Keine Veränderungen an der Schreibweise und Zeichensetzung, wer weiß schon um die damaligen Regeln.
 
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