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Hans Erxleben - Linke Treptow-Köpenick - rief auf zum Gedenken und zu 105 Rosen auf  die Grabstätte von Ruth Werner.
     
 
  Ruth Werner's (Ursula Beurton geb. Kuczynski)
letzte Ruhestätte im gemeinsamen Grab
mit ihrem Ehemann Len Beurton
auf dem Friedhof in Berlin-Baumschulenweg.
 

 
Peter Beurton, jüngster Sohn
von Ruth Werner (li.) und
Hans Erxleben (re. daneben) auf dem Weg zur Grabstätte.
Ganz rechts Tobias Hecht
vom Ruth Werner Verein und
der Ausstellung in Carwitz.
 
  Ruth's ältester Sohn, Michael Hamburger und ihre Tochter, Janina Blankenfeld, waren gleichfalls zur Ehrung ihrer Mutter gekommen.  
  Und mit ihnen gemeinsam kamen über 100 Bürgerinnen und Bürger, die dieser bemerkenswerten Frau zu ihrem
105. Geburtstag
Rosen brachten.


  Hans Erxleben zu den Teilnehmern des Gedenkens (nur in Auszügen)
Ich habe vor Beginn die Teilnehmer mit einer Mitgliedskarte des Freundeskreises Ruth Werner ausgestattet, die ihnen überall auf der Welt kostenlosen Zugang zu Veranstaltungen über Ruth Werner ermöglicht. Ich war ja mehrfach gefragt worden, wie viele Mitglieder dieser Freundeskreis denn habe, wobei ich immer darauf verwies, dass es sich bei Ruth Werner um eine der erfolgreichsten Kundschafterin des 20.Jahrhundert gehandelt hat und deswegen die Mitgliedszahlen auch geheim sind. Ein paar Geheimnisse müssen schon noch bleiben, zumal, wenn man daran denkt, dass sie im Gegensatz zu den mit ihr eng verbundenen Kundschaftern wie Richard Sorge in China, Sandor Rado in der Schweiz oder Klaus Fuchs in England nie entdeckt, nie verraten, nie dechiffriert wurde/werden konnte.
Da wir ja 105 Rosen zum 105. Geburtstag auf ihre letzte Ruhestätte legen wollen, habe ich 105 Mitgliedskarten mitgebracht – sie haben aber nicht gereicht, es sind also mehr da. Es handelt sich ja nur um einen symbolischen Freundeskreis. Wenn man aber die Teilnehmerzahlen bei den bisherigen Gedenkaktionen für sie vergleicht (Wanderung zum 100.Geburtstag auf dem Uferwanderweg, Besuch am Grab zum 101., Feier zum 10.Todestag, Gedenkwanderung zum 104., dann sind es heute mehr Teilnehmer, d.h. die Schar der Freunde wird nicht kleiner, was ein gutes Zeichen dafür ist, dass man sich gern an sie erinnert.
Zum 100.Geburtstag hatte die Linksfraktion Treptow-Köpenick einen Antrag in der Bezirksverordnetenversammlung gestellt, eine Straße nach ihr zu benennen, der abgelehnt wurde. Am 9.Mai (vorige Woche) wurde dann symbolisch der Platz, auf dem das Fest zum Tag des Sieges stattfand, unter großen Beifall der vielen Teilnehmer dort, nach ihr benannt.
Darüber hätte sich die Frau mit den vielen Namen (Ursula, Ruth, Sonja) sicher sehr gefreut.
Ich freue mich auch, das wieder alle drei Kinder mit dabei sind und der „Jüngste“, Peter Beurton, sehr persönliche Bemerkungen gemacht hat. Die Frage, warum Ruth Werner 1950 aus dem militärischen Nachrichtendienst von sich aus ausgeschieden ist, konnte er allerdings auch nicht beantworten.
Auch das erstmals der Ruth-Werner-Verein aus Carwitz/Feldberg vertreten ist und über seine Arbeit dort berichtet, ist sehr schön.
 
Peter Beurton sprach ganz persönliche Worte zum Leben und Wirken seiner Eltern, insbesondere natürlich der Mutter.
(siehe unten)
 
Tobias Hecht,
Vorsitzender des Vorstandes
des Ruth Werner Verein und
der Ausstellung in Carwitz
ergriff ebenfalls das Wort.

Liebe Freunde!
Ich möchte einige Worte mit Blick auf eine Gedenkanzeige sagen, die meine eigene Familie vor rund zwei Jahren zum 10. Todestag meiner Mutter im Neuen Deutschland veröffentlicht hat. Als Gedenkzeile hatten wir formuliert:
              ... die Enkel fechten es nicht besser aus.
Dies hat kaum zu Irritationen geführt, denn jedem war klar, dass dies als Hommage — meiner beiden Kinder an die Großmutter sowie — von meiner Frau und mir gedacht war.
Aber nicht ohne einen angemessenen Anteil an Nachdenklichkeit, denn es trifft zu: diese Zeile ist von gedoppelter Bedeutung. Sie heißt ja nicht nur: Sie war so gut, dass selbst die Enkel es nicht besser machen können, sondern sie kann auch — und soll auch — verstanden werden als eine Replik auf jene bekannten Worte aus dem Lied vom Bauernkrieg:
              Geschlagen ziehen wir nach Haus; die Enkel fechten's besser aus.
Wenn in diesem Sinn einer des Weges kommt und mitteilt: nein, tun sie nicht, die Enkel, so ist dies der Zusammenhang, der genannter Zeile die Würde der Nachdenklichkeit verleihen soll. Indem sie so an das gemahnt, was uns vor nunmehr bald einem Vierteljahrhundert mit dem Untergang der DDR und dem Anschluss an die BRD ereilt hat: an die trotz des Hinzugewinnes bürgerlicher Grundfreiheiten mitunter recht schmerzliche Erfahrung, wie viele Träume — seien es Einzelner, ganzer Parteien oder einer ganzen Weltbewegung, und mögen diese bereits 70 Jahre handgreiflich geträumt worden sein — mit dem Fortschritt der Geschichte einfach am Wegesrand liegen bleiben. Und darunter wiederum viele, von denen wir im Nachhinein wissen, dass sie ganz so auch nie wiederkommen werden. Und abermals manche unter diesen, von denen wir mit dem Abstand von ein oder zwei Jahrzehnten sagen können: es ist gut so.
Erst in der gedoppelten Bedeutung jener Gedenkzeile, wird es aber auch möglich, den Linken der Generation meiner Eltern nicht nur zu huldigen, sondern sich ihnen auch historisch-kritisch zu nähern. Und Fragen zu stellen, die zu Zeiten der DDR nicht gestellt werden konnten; weniger, weil sie verboten waren, sondern vor allem, weil vor der Wende der Blick dafür nicht frei war.
Eine solche Frage: Was war es denn in den ersten Dezennien des vergangenen Jahrhunderts, zur Zeit der Weimarer Republik, das die Gesellschaft so radikalisierte, dass im linken Spektrum Menschen bereit wurden, sich mit ihrem ganzen Sinnen und Trachten dem Diktum einer Partei zu unterstellen, bis zur völligen Identität von Partei und Person; bis hin zur Aufgabe der Persönlichkeit. Um sich gegebenenfalls auch physisch aufzuopfern: bis zum Erschossen werden — und sei es durch die eigenen Genossen. Oder: Ich habe erst kürzlich den Spieldoku über Bader/Meinhof gesehen — vielleicht nicht absolute Spitzenklasse, aber ein guter, solider und politisch informativer Film. So kann man diesem Film entnehmen, dass jene RAF-Leute ihre politische Laufbahn zunächst — ich möchte es so sagen — als ganz „normal-verwirrte“ Marxisten angetreten haben. Dann muss aber auch die Frage erlaubt sein: Was unterscheidet denn den Lebensweg etwa meiner Mutter von dem dieser RAF-Leute; wenigstens bis zu den Kaufhausbränden? War es vielleicht nur die Gnade der frühen Geburt?
Meine Mutter ist mit dem Leben davongekommen, und das ist angesichts ihres Lebensweges höchst bemerkenswert. Sie hatte das ungeheure Glück, in der DDR noch eine zweite Lebenshälfte antreten zu dürfen (und gar noch Sonjas Rapport zu veröffentlichen). Wie hat sie dann die Wende getroffen? Nein, es war nicht die vollständige Katastrophe und auch dies ist wohl wenigstens zum Teil auf ihren Lebensweg zurückzuführen. Dazu folgende kleine Geschichte: Unmittelbar nach der Wende gehörte meine Tochter zu den Schulabgängern (der Erich-Weinert-Schule im Plänterwald-Karree, die auch ich vor langer Zeit besucht habe). Zur anderthalbstündigen Abschlussfeier in der Aula wurden wie üblich neben den Eltern auch die Geschwister und Großeltern eingeladen (lokal blieben die Gepflogenheiten noch eine gewisse Zeit über die Wende hinaus erhalten.) Ich weiß nicht mehr, ob es kurz vor oder nach dieser Feierstunde war; meine Eltern standen jedenfalls nachdenklich in der Vorhalle der Aula. Die Schulklingel ertönte; die nicht beteiligten Schüler der unteren Klassen strömten auf den Schulhof mit dem üblichen Kinderlachen und Pausen-Tohuwabohu. Abermals das Klingelzeichen und die Kinder verschwanden wieder in die Klassenräume. All das beobachteten meine Eltern andächtig und dachten wohl: die Kinder sind so wie immer. Und machten dabei eine Entdeckung, die ihnen gerade bei ihren Lebenswegen immer gegenwärtig gewesen sein muss, jetzt aber, unmittelbar nach der Wende, in einem neuen Licht erschien. Dies so sehr, so dass dies gleichsam eine neue Entdeckung war. Meine Mutter sagte (etwas trocken): „Das Leben geht einfach weiter.“
Ich darf daran anschließen: zu den unveräußerlichen Träumen der Menschheit, die niemals am Wegesrand liegen bleiben werden, weil wahr, und die daher solange geträumt werden, wie es überhaupt Menschen gibt, gehört der Satz:
                ... die Enkel fechten's besser aus.


     
  Weit über die gewünschte Anzahl von Rosen schmückten die letzte Ruhestätte von Ruth Werner und ihrem Mann.
Hier nur ein Fotoauschnitt.

Michael Hamburger schrieb am Tag nach dem Gedenken an Hans Erxleben: »Lieber Hans, es war aufregend, die große Beteiligung am Grab meiner Mutter zu ihrem 105. zu sehen. Ich danke Dir noch einmal für die Organisation und für Deine bewegenden Worte.«
 

 

© Fotos, Fotomontagen und Bildkommentare: Helmut Holfert; erstellt am 18.05.2012.
Ruth Werner Foto im Titel: »einestages.spiegel.de«

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